Unwinding Road

„The Road is long but it always unwinds. And I find if you take your time you will make it fine…“ – heißt es auf der neuen CD von Crosswind. Zeit gelassen haben die vier jungen Musiker sich, denn gut Ding will Weile haben und so präsentieren sie, nach dreieinhalb Jahren kreativen Schaffens, ihr zweites Studioalbum – Unwinding Road.

Mit der Veröffentlichung des Debutalbums – Swift As A Swallow – begann 2014 die Erfolgsgeschichte des Quartetts, bestehend aus Béatrice Wissing (Fiddle, Gesang), Mario Kuzyna (Gitarre, Akkordeon, Gesang), Stefan Decker (Flute, Whistles, Fiddle, Gitarre und Gesang) und Sebastian Landwehr (Gitarre, Concertina, Whistles, Piano und Gesang). Seither wird Crosswind von der Fachpresse als erfolgreichste Newcomer-Band der Szene gehandelt und die regelmäßig ausverkauften Konzertsäle bestätigen dies bei jeder Konzerttour aufs Neue. Crosswind stand in den vergangenen Jahren mit vielen international gefeierten Stars (Flook, De Dannan, Julie Fowlis, Old Blind Dogs) auf der Bühne und auch im Ausland wächst der Bekanntheitsgrad der Band stetig.

Nun präsentieren die vier Freunde mit ihrem zweiten Studioalbum zehn brandneue Stücke. Dabei sind sie dem unverkennbaren Crosswind-Sound treu geblieben. Das lebendige Zusammenspiel von Flöte und Fiddle wird getragen und eingerahmt von den beiden druckvoll gespielten Rhythmusgitarren. Dieses instrumentale Fundament wird durch die ausdrucksstarken Solostimmen der Musiker ergänzt und schließlich durch vierstimmigen Satzgesang abgerundet. Alles ist so perfekt aufeinander abgestimmt, dass die Gruppe ein beeindruckendes Klangvolumen erreicht. Dieser Sound wird auf „Unwinding Road“ von den Gastmusiker Franziska Urton (Fiddle), Charlotte Jeschke (Cello), Alex Froitzheim (Uilleann Pipes), Markus Pede (Bodhrán) und Simon Scherer (Banjo) virtuos ergänzt, ohne dabei den Bandsound zu verfremden.

Fünf Songs und fünf Instrumentalstücke bietet das neue Album von Crosswind und ist damit repräsentativ für das Liveerlebnis. Mit dem Opener „Ready For The Show“ gelingt der Band gleich zu Beginn der CD eine Überraschung. So beginnt die musikalische Reise acapella und vierstimmig. Damit spielen die vier eine ihrer absoluten Stärken aus aus und ehe man sich versieht, schallt der altbekannte druckvolle Crosswind-Sound aus den Lautsprechern. Der Song stammt aus der Feder von Sebastian Landwehr und ist nur eine von vielen Eigenkompositionen auf der neuen Silberscheibe.

So klanggewaltig wie der erste Song geendet hat, geht es direkt im zweiten Track weiter. „The Winzig Pub Experience“ wurde anlässlich einer langen Sessionnacht mit befreundeten Musikern aus London geschrieben und spielt gleich die zweite Stärke der vier aus. Groovende Jigs und Reels, die den Zuhörer zum mitwippen anregen und ihn spätestens im klanggewaltigen Finale auf die Füße reißen.

In „Barrett’s Privateers“ erzählt Mario Kuzyna die Geschichte eines Jungen, der unwissentlich auf einem Freibeuterschiff anheuert und ein schweres Schicksal erleiden muss. Mit Flöte und Fiddle vertonen Stefan Decker und Béatrice Wissing eine blutige Seeschlacht. Dies geschieht bei jedem Konzert spontan und improvisiert und ist somit auch auf der CD nur eine Momentaufnahme.

Eine etwas eigenartige Idee hatte Stefan Decker, als er nach einem Kinobesuch mit Sebastian Landwehr ein Stück für einen, auf der Leinwand verunglückten, Dinosaurier schrieb. Die Ergriffenheit angesichts dieser Tragödie kann man besser verstehen, wenn man weiß, dass der Flötist der Band im Nebenfach Paläontologie studiert hat. Ob die Fachkenntnisse das Stück „Lament For Indominus Rex“ auch musikalisch beeinflusst haben, bleibt sein Geheimnis.

Dem Song „Dark Road“ entstammt der Albumtitel. Das Lied wurde von der amerikanischen Songwriterin Sarah Jarosz geschrieben und beschreibt in sehr vielen schönen Bildern und Metaphern die Suche nach dem eigenen Weg. Die Unbeschwertheit, mit der die vier Freunde diesen Song interpretieren, lässt erahnen, dass sie sich, wenngleich vielleicht auch manchmal selbst auf der Suche nach besagtem Weg, ihrer Stärken durchaus bewusst sind.

Eines der ruhigeren Passagen auf der CD stellt das Instrumentalstück „Aline’s“ dar. Die Idee dazu hatte Stefan Decker vor über vier Jahren, konnte sie aber erst 2016 nach einem Spaziergang in einem verschneiten Wald zu Papier bringen. Auf dem Album legt die befreundete Cellistin Charlotte Jeschke ein weiches Klangfundament unter diesen Song und macht ihn zu etwas Besonderem.

„Cruel River“ – gesungen von Sebastian Landwehr – ist wohl einer der ergreifendsten Songs des neuen Programms. In der Ballade von Steve Knightley wird die Liebe eines Farmarbeiters zur Tochter der Bauern besungen, die auf tragische Weise auf einer Brücke über einem reißenden Fluss endet. In der Version von Crosswind wurde dieser Song an der traurigsten Stelle sehr gefühlvoll umgesetzt und hält eine Überraschung parat, die dem Zuhörer einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt.

Wieder ein Stück aus eigener Feder ist das Set „Frozen Squirrels“. Das Set wurde von Sebastian Landwehr und Stefan Decker während eines gemeinsamen Urlaubs in den Alpen geschrieben, als ein plötzlich einsetzendes Unwetter die beiden zu einer Zwangspause vom Bergsteigen zwang. Diese ruhige und gemütliche Stimmung in einem warmen Berghof fängt das Set zu Beginn hörbar auf.

Noch ein letztes Mal auf dieser CD zeigen Mario Kuzyna und Sebastian Landwehr, dass sie den Zuhörer mit ihren Stimmen in ihren Bann ziehen können. In Mark Knopflers bekanntem Song „Sailing To Philadelphia“ schlüpfen sie in die Rolle zweier Auswanderer, die in eine ungewisse Zukunft nach Amerika segeln. Unaufgeregt und fernab jeglicher Effekte ist dieser Song ein Genuss, bei dem so mancher Zuhörer von eigenen Abenteuern träumen mag.

„When All Work Is Done“ ist das letzte Stück und schließt den Kreis, indem es eine Textzeile aus dem ersten Song aufgreift. Ein Crosswind Konzert endet selten mit dem direkten Gang ins Hotelzimmer, denn in der Regel erfüllt die Musik bis tief in die Nacht den nächstgelegensten Irish Pub. Dass die Bandmitglieder nicht nur die Instrumente beherrschen, die sie hauptsächlich auf der Bühne spielen, demonstrieren in diesem Track Mario Kuzyna und Stefan Decker, indem sie zu Akkordeon, Fiddle und Gitarre wechseln.

Mit auf diesem zweiten Studioalbum zeigt das Vierergespann einmal mehr, warum es sich hierzulande innerhalb kurzer Zeit zu einer der erfolgreichsten Bands in diesem Genre entwickeln konnte. Unzählige klangliche Eindrücke werden gekonnt zu einer vielschichtigen Klangdichtung gewebt. Die Musik ist dynamisch und mitreißend, ohne dabei jemals gehetzt zu wirken. Selbst in den aufbrausendsten Momenten strahlt Crosswind eine bezaubernde Ruhe und Gelassenheit aus. Und wie geht es weiter? Auch darauf ist in einem der neuen Songs eine Antwort zu finden:

„And when the door is closed behind us
We’re heading for next weekend.“